Grande-Prairie – Alaska-Highway – Robert Campbell Highway – Klondike-Highway – Top of the World Highway – Dawson-City

vom 27. Juli – 9. August 2022

Grande-Prairie

In Grande-Prairie, unserer letzten grossen Stadt der Provinz Alberta, tanken wir Jupi noch einmal randvoll, denn der Diesel ist hier so günstig wie sonst nirgends in Kanada. An einer Tankstelle von Mobil/Esso können wir für umgerechnet CHF 1.24 tanken. Mit dem «eingesparten» Geld gehen wir dann am Abend ins Kino und schauen uns den Fliegerfilm Top Gun an, der geniale Flugszenen mit der F/A-18 beinhaltet, einem Kampfjet, der auch in der Schweiz fliegt. Interessant wäre zu wissen, wieviel vom Film real gefilmt wurde und wieviel am Computer entstand. Das Gesicht vom Hauptdarsteller Tom Cruise sieht auf jeden Fall viel kantiger und weniger rund aus, als es heute real ist…

Am nächsten Morgen gehen wir zur Dumping-Stelle, die am Rand eines schönen Parks liegt. Wir gehen dort vor dem Dumpen eine Runde joggen, hat es doch von diesem Park zu einem weiteren eine durchgehende Strecke von rund 10km, wo man spazieren oder eben rennen kann, ohne eine einzige Strasse zu überqueren. Es hat mehrere Unterführungen und ein Grossteil der Strecke führt entlang eines Baches, genial. Dabei entdecke ich eine aktive Eisenbahnbrücke, deren oberer Teil aus Stahl ist, die Pfeiler aber aus Holz bestehen. Diese Konstruktionsweise ist uns schon bei mehreren Eisenbahnbrücken aufgefallen, hier konnte ich sie zum ersten Mal ganz aus der Nähe betrachten.
(wie immer: auf das Bild klicken, damit es grösser und schärfer wird)

Provinz British Columbia

Danach fahren wir Richtung Dawson Creek, dem Beginn des Alaska Highways und reisen zum zweiten Mal innert 10 Tagen in die Provinz Britisch Columbia ein (nach dem Ausflug zum Wells Gray NP). Hier müssen wir die Uhren ein letztes Mal zurückstellen, jetzt sind wir -9 Stunden zur Schweiz im Verzug, mehr wird es nicht mehr, ausser wir würden nach Alaska einreisen, was wir aber für dieses Jahr nicht vor haben.
British Columbia ist mit 945’000 km2 zwei Mal so gross wie die Schweiz, Österreich und Deutschland zusammen und hat aber nur 5 Millionen Einwohner, ein bisschen mehr als die Hälfte der Schweiz, weniger als ein Zehntel von Deutschland.

Talni-Crew

Gleich nach der Überquerung der Provinzgrenze halten wir auf einem Rastplatz um das Frühstück zuzubereiten. Kaum angehalten, da klopft es schon an unserer Tür. «Sali zäme», tönt es im Bündner Dialekt. Adolf und Rosmarie aus dem Bündnerland haben uns eben im Rückspiegel entdeckt, als sie den Rastplatz mit ihrem Unimog Richtung Norden verlassen wollten. Wir reden fast eine Stunde miteinander, entdecken rasch unsere gemeinsamen «Unimog-Bekannten» Conny und Herbert aus dem Thurgau und vereinbaren, uns gegen 16 Uhr wieder via WhatsApp zu melden, um einen gemeinsamen Übernachtungsplatz anzusteuern. Dort vergleichen wir unsere bisherigen und geplanten Routen. Sie erzählen uns, dass sie bereits anfangs Mai Talni in Halifax übernahmen und dann nach Neufundland und Labrador reisten. In Happy Valley-Goose Bay fuhren sie mit einem Fährboot bis ans Meer, teilweise mit einem Eisbrecher voraus, und konnten sogar Eisbären beobachten. «Diese Fahrt war bis jetzt der Höhepunkt unserer Reise», erzählt Adolf und zeigt uns Bilder von der Schiffspassage. Sie sind auch am Dempster-Highway interessiert, wollen aber zusätzlich noch nach Alaska. Von daher sind sie im Moment zügig unterwegs, während wir mehr Zeit haben, um die vielen interessanten Details dieser Region zu besuchen.

Adolf ist 10 Jahre älter als ich und arbeitete in den 80er Jahren als Fernfahrer, brachte Ware in den Iran, Irak, nach Syrien und bis nach Saudi Arabien. Und dies alles ohne ein Wort Englisch oder Französisch zu sprechen, irgendwie unvorstellbar. Auf meine Frage, was er denn so transportierte meinte er: «Material für den Bau, aber auch Maschinen und Elektrokasten.» Wir kombinieren dann, dass die Chance sehr gross war, dass er Elektro-Schaltschränke von Sprecher und Schuh, wo ich meine Lehre als Elektromechaniker absolvierte, in den Iran und Irak transportierte. So schliessen sich die Kreise, unglaublich.

Strassenbezeichnungen

Während wir in Europa vorallem den Strassen innerhalb einer Ortschaft Namen geben und die grossen Überlandstrassen oder Autobahnen nur nummerieren wie A1 oder Europa 6, ist es hier in Nordamerika gerade umgekehrt. Die Strassen innerhalb einer Ortschaft werden meist nur durchnummeriert wie 1st Avenue oder 2nd Street, dafür erhalten die grossen Überlandstrassen Namen wie Transkanada-Highway, Alaska-Highway, Red Coat Trail usw., andere Länder – andere Sitten.

Alaska-Highway

Bereits nach dem grossen Goldrausch in den 1890er-Jahren gab es erste Pläne für eine Strassenverbindung durch den kanadischen Yukon bis nach Fairbanks in Alaska, dann erneut in den 1920er-Jahre, nach der grossen Depression. Die USA wollten das bis dahin nur über den See- oder Luftweg erreichbare Alaska direkter anbinden, vorallem auch um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Es wurden detaillierte Pläne ausgearbeitet, der Start der Strasse sollte in Dawson-Creek BC sein, da eine Eisenbahn bis dorthin führte. Danach sollte die Strasse von einer Ortschaft mit Flugpiste zur nächsten folgen. Da der grösste Teil der Strasse durch Kanada führte, war eine Zustimmung des nördlichen Nachbarn zwingend notwendig. Kanada aber befürchtete, dass sich der grosse südliche Nachbar das Gebiet vereinnahmen könnte (wohl ähnlich wie nach dem Bau des Panama-Kanals, als die sogenannte Panamakanal-Zone zu je 5 Meilen auf beiden Seiten des Kanals unter US-amerikanischer Verwaltung war).
Erst die Luftangriffe vom 7. Dezember 1941 der Japaner auf Pearl Harbour in Hawaii änderten die kanadische Haltung und im Februar 1942 beschloss man den sofortigen Bau der ca. 2’400km langen Strasse von Dawson-Creek nach Fairbanks. In nur 9 Monaten erstellten über 12’000 Pioniere der US-Armee eine Piste, die allerdings oft sehr schlammig und schwer zu befahren war. Auf einigen Teilstücken gab es zwar bereits von früher Wege oder Strassen, doch an vielen Orten war noch gar nichts vorhanden. Nach den Pionieren der Armee bauten professionelle Tiefbau-Unternehmer den Schlammpfad in eine richtige Strasse aus, d.h. das Strassenbett wurde mit einem vernünftigen Fundament versehen und die Oberfläche mit Kies bedeckt sowie stabile Brücken gebaut und dies in nur 10 Monaten im Jahre 1943. Ich weiss gar nicht, welche Leistung höher zu werten ist, beides waren gigantische Anstrengungen, vor denen man sich heute nur verneigen kann.

In Dawson-Creek gibt es ein grosses Schild beim Kilometer Null des Alaska-Highway, wo natürlich auch wir stoppen und das obligate Foto machen und in Watson Lake im Visitor-Center existiert eine interessante Ausstellung über den Bau, woher auch eines der folgenden Bilder stammt.

Wo sind die europäischen Wohnmobile?

Auf unserem Weg von Halifax nach Westen haben wir uns immer wieder gefragt, wo die vielen europäischen Fahrzeuge geblieben sind, welche die diversen Fähren von Europa nach Kanada benutzten. Wir haben bis Alberta nur ganz selten europäische Camper gesehen, erst in den Nationalparks von Banff und Jasper sahen wir einige mehr.
Hier auf dem Alaska-Highway änderte sich die Situation aber schlagartig, hier sehen wir sie massenweise und erkennen sie auch sofort, denn sie haben im Gegensatz zu nordamerikanischen Fahrzeugen praktisch nie eine Klimaanlage auf dem Dach. Dass wir vorallem hier so viele Europäer treffen liegt auch daran, dass es nur noch ganz wenige Strassen in den Norden gibt, so dass man hier fast zwangsläufig durchkommen muss, wenn man z.Bsp. den Dempster Highway befahren oder Dawson-City besuchen will.

Fort-Nelson – Watson-Lake

Das rund 500 km lange Teilstück von Fort-Nelson nach Watson-Lake gilt gemäss unserem Reiseführer als schönstes Teilstück des Alaska-Highway. Links und rechts der Strasse hat es immer wieder hohe felsige Berge und man sieht trotz dem vielen Wald auch etwas in die Weite, denn es geht immer wieder rauf und runter. Der höchste Punkt befindet sich auf rund 1’200müM.
Leider haben wir nur einen Tag lang wirklich gutes Wetter, am zweiten ist es plötzlich sehr diesig und nach einiger Zeit riechen wir es auch: Es ist Rauch. In einem Supermarkt wird uns erzählt, dass es im Norden Waldbrände gebe und der Wind den Rauch nun hierhin treibe. Die Waldbrände sind auch auf der Strecke, die wir in den nächsten Tage befahren wollen, das ist nicht gut.

Am folgenden Tag haben wir am Morgen dicken Nebel und danach Regen, nur ab und zu reisst die Wolkendecke kurz auf. Doch gegen die Waldbrände ist der Regen natürlich Gold wert, so können wir dem Wetter gar nicht richtig böse sein. Doch die viele Feuchtigkeit löscht nicht nur die Waldbrände, sie beflügelt auch die Mosquitos, die sich wie wild vermehren. In unserer amerikanischen WetterApp von WeatherChannel hat es tatsächlich einen Mosquito-Index, der aussagt wie schlimm es damit ist. Im Moment steht er noch auf Mittel. Wie dies wohl gemessen wird?

Es gibt auf dem Highway einige lange Baustellen, wo der Belag vollständig entfernt wurde und man jetzt direkt auf dem Dreck fährt. Zusammen mit dem Regen gibt das eine ziemlich Sache, siehe unser ziemlich verschmutzter Jupi, insbesondere die Einstiegsstufe…

Hungriger Bär

Kurz nach dem Wegfahren am Morgen früh entdecken wir einen Schwarz-Bär am Waldrand. Es hat noch keine Autos auf der Strasse, Bettina kann problemlos 200 Meter rückwärts fahren, damit ich optimal fotografieren kann. Man stelle sich dies in der Schweiz vor, wegen einem Tier 200 m auf der Autobahn oder Hauptstrasse rückwärts zu fahren…
Der Bär geht von Strauch zu Strauch und wenn vorhanden isst er ein paar Beeren, es sieht wundervoll aus.

Bison-Herde

Im Jahre 1995 wurden am Muncho-Lake Bisons ausgewildert. Es gefällt ihnen aber auch am Rande des Alaska-Highways sehr gut und wir sehen zwei grössere Gruppen, einmal rund 50 Tiere. Von so einer Herde träumen wir seit dem Besuch des Grassland NP.
Eigentlich muss man zu den Tieren einen Mindest-Abstand von 100 Metern einhalten, doch diese Tiere hier haben sich wegen ihrem Zweitjob als Fotomodell an Menschen gewöhnt und laufen mitten durch die Autos und Fotografen durch. Ich nutze das Dach von Jupi als Ansitzpunkt und komme mir dabei wieder einmal wie auf Safari vor, einfach genial.

Elche

An mehreren Orten sehen wir auch Elche. Meistens sind sie sehr scheu, rennen schnell über die Strasse und verschwinden dann wieder im Wald. Einmal sehen wir aber eine durstige Elchkuh am Strassenrand, die sich durch uns nicht gestört fühlt und in aller Ruhe weiter säuft. Interessant ist dabei, dass sie zum Trinken auf die Knie geht.
Am Silver-Trail können wir einem jungen Elchbullen zuschauen, wie er im Wasser steht und dort irgendwelche Pflanzen frisst. Das Tier ist noch so jung, dass sein Geweih erst ganz klein sind. Allerdings ist er recht weit weg und es ist sehr dunkel zum Fotografieren.
Und dann haben wir das Glück, einen etwas älteren Elchbullen zu sehen, dessen Geweih schon etwas grösser ist, schon die typische Schaufel-Form hat. Zwar immer noch nicht ganz ganz gross, aber immerhin, wir wollen uns nicht beklagen.
Und am Schluss noch eine Elchkuh mit ihrem Jungen, die nach unserer Sichtung so schnell wie möglich über die Strasse will und so schnell rennt, dass die Kieselsteine fliegen.

Liard River Hot Springs

In unserem Reiseführer wird die Thermalquelle von Liard River gerühmt, es sei die zweitgrösste von Kanada und der Eintritt beträgt weniger als vier Franken. Wir kommen noch vor unserem Frühstück zeitig am Morgen an und es hat erst wenige Leute im Becken, mit denen wir aber sehr schnell ins Gespräch kommen. Zwei Camper-Paare haben wir schon bei der Bison-Herde gesehen (wie man’s nicht machen sollte …), jetzt haben sie entdeckt, dass wir französisch sprechen. Da sie aus Montréal sind freuen sie sich, französisch sprechende Gesprächspartner gefunden zu haben und für uns ist ihr Dialekt einfacher zu verstehen, als derjenige von Ville de Québec. Wir bleiben sicher fast eine Stunde im Wasser, sehr angenehm.

Hinter dem Becken gibt es noch einen kleinen Wasserfall in grün und vor dem Becken das kleinste Visitor-Center, das wir bis jetzt gesehen haben. Während es im Thermalbecken gar keine Mücken hat, wimmelt es in der Umkleidekabine und beim Wasserfall davon.

Yukon Territorium

Kurz vor der Ortschaft Watson-Lake überqueren wir die Grenze zum Yukon Territory. Der Yukon ist keine kanadische Provinz sondern «nur» ein Territorium, d.h. sie haben nicht so viel Autonomie wie eine Provinz, wohl wegen der geringen Anzahl von Bewohnern: Mit einer Grösse von 482’000km2 ist das Yukon-Gebiet so gross wie die Schweiz, Österreich und Deutschland zusammen, hat aber nur 43’000 Einwohner, davon leben zwei Drittel in der Hauptstadt Whitehorse…

In Watson Lake gibt es einen sehr berühmten Schilderwald, wo ganz viele Reisende ein Strassenschild ihres Herkunftsortes, ein Nummernschild ihres Autos oder etwas ähnliches aufgehängt haben. Ich habe zwar im Vorfeld davon gelesen, aber nicht realisiert, dass wir da etwas hätten mitnehmen müssen. So staunen wir einfach über all die Schilder aus nah und fern, vorallem natürlich über diejenigen mit Schweizer Bezug. Weiter gibt es auch ein sehr gutes Visitor-Center. Der Schwerpunkt ist der Alaska-Highway und zu dessen Entstehung gibt es einen interessanten Film. Wir bekommen aber auch über den sonstigen Yukon viele gute Unterlagen und nicht nur Prospekte von kommerziellen Anbietern, wie sonst so oft.

Robert Campbell Highway

In Watson Lake verlassen wir den sehr stark befahrenen Alaska Highway und zweigen auf dem Robert Campbell Highway ab. Diese rund 600 km lange Strasse wird viel weniger benutzt, wohl weil ein Grossteil davon nicht asphaltiert ist und es nur zwei Ortschaften gibt, die erste Tankstelle gibt es nach 363 km. Bis vor kurzem war die Strasse wegen den weiter oben erwähnten Waldbränden rund drei Wochen gesperrt. An mehreren Stellen quillt der Rauch immer noch aus dem Boden, Flammen sehen wir aber keine mehr, Feuerwehrleute als Brandwache auch nicht.

In unserem Reiseführer wird vor dem Befahren des Robert-Campbell Highway bei schlechtem Wetter gewarnt, insbesondere auf den nicht asphaltierten Teilstücken. Obwohl es immer wieder regnet haben wir aber überhaupt keine Probleme mit der Strasse, die Kies-Fahrbahn ist extrem fein, fast so fein wie eine Asphalt-Strasse, so dass wir den Luftdruck nicht verringern. Einzig Jupi sieht nach der Fahrt noch heftiger aus, die ganze Rückseite ist mit braunem Dreck versaut, unser Nummernschild neu einfarbig braun…

In Ross River, der ersten Ortschaft nach 363 km machen wir einen Stopp. Es ist eine Ansammlung von Häusern mit einer Tankstelle, rund 400 Einwohner. Obwohl wir mehr als die halbe Strecke hinter uns haben und der Tank noch mehr als halbvoll ist, füllen wir ihn hier nochmals auf, sicher ist sicher.
In Ross River gibt es die längste Hängebrücke auf dem Yukon Territorium, sie ist nur für Fussgänger. Für Fahrzeuge gibt es daneben eine Fähre. Die Strasse dahinter, die North Canol Road wäre eine interessante Offroad-Route. Eine Touristin in unserem Alter ist mit ihrem 4×4 Subaru und Zelt hier und fragt uns, ob wir nicht mit ihr diese Offroad-Tour machen würden, sie möchte es nicht alleine versuchen. Doch der Wetterbericht für die nächsten Tage ist uns zu schlecht, es ist teilweise starker Regen angesagt und die letzten Tage waren auch nicht gerade trocken.

Unterwegs sehen wir neben dem bereits früher erwähnten Elch-Bullen noch diverse Raufusshühner am Strassenrand. Bei der Bestimmung bin ich nicht sicher, wahrscheinlich ist es ein Kanadisches Waldhuhn. Und am Abend entdecken wir sogar noch einen Luchs, so genial. Zuerst ist er ganz ruhig, doch nach etwa 10 Sekunden verzieht er sich in den Wald. Die meisten Tiere, die wir aber sehen, sind wieder einmal die Mücken. Wir haben schon seit Jahren Mückennetze dabei, jetzt erinnern wir uns daran und sie kommen erfolgreich zum Einsatz. Ich mache so ein paar Drohnenflüge, denn die Landschaft mit ihren vielen Inseln sieht von oben einfach fantastisch aus. Und am Abend grilliere ich zwischen all den Mücken, es geht ganz gut.

Wegen dem schlechten Wetter resp. Wetterbericht beschliessen wir, direkt nach Dawson-City zu fahren und nicht mehr Zeit auf dem landschaftlich wunderschönen Robert-Campbell – Highway zu verbringen. Falls das Wetter auf der Rückfahrt in den Süden aber besser ist, wollen wir hier nochmals vorbeikommen.

Wir biegen auf den Klondike-Highway ein und auch hier gibt es bald wieder längere Baustellen. Der Asphalt ist komplett weg und wir können nur mit einem Pilot-Fahrzeug durch die Baustelle fahren, die rund 20 km lang ist. Links und rechts von uns wird mit schweren Baumaschinen gearbeitet, in der Mitte kreuzen wir ein Pilot-Fahrzeug mit Fahrzeugen aus der andern Richtung.

Am Abend hören wir auf unserem ziemlich einsamen Übernachtungsparkplatz plötzlich schwere Motoren-Geräusche. Und zu unserer Überraschung fährt die Talni-Crew ein. So ein Timing, nicht schlecht. So gibt es wieder einen längeren Abend, diesmal in ihrem Fahrzeug und nicht draussen bei den Mücken.

Yukon River

Der Fluss-Name Yukon stammt von den First Nations (Ureinwohner) und bedeutet so viel wie grosser Fluss. Wir sehen ihn zum ersten Mal kurz vor dem Ende des Robert Campbell Highway und sind überrascht von der Grösse, in unseren Augen ist er bereits ein Strom. Für die First Nation aber auch für die europäischen Einwanderer war dies die Lebensader für diese Gebiete im Norden Kanadas, so lange der Alaska-Highway noch nicht bestand. Je nach Messweise ist das Gewässer zwischen 2’500 und 3’285 km lang. Zum Vergleich, der Rhein misst rund 1’233 km.

Es gibt entlang des Flusslaufs an verschiedenen Orten Aussichtspunkte. Wir bekommen da zwar einen Eindruck, aber zum Fotografieren sind immer wieder Sträucher und Bäume im Weg, deshalb steht unsere Drohne im Dauereinsatz. Die Resultate sind aus unserer Sicht eindrücklich, denn man erkennt sehr gut, wie dieser Strom noch ein natürliches Flussbett besitzt und überall Inseln bilden kann.

Zwischen den Five Finger Rapids (Fünf Finger Stromschnellen) mussten früher die Schaufelraddampfer durchfahren. Fluss runter ging es mit guter Steuerung, doch damit sie sicher auch den Fluss hoch kamen, waren Kabel gespannt, so dass sie sich wie eine Kabelfähre daran hoch angeln konnten. Viele Felsen der Stromschnellen wurden auch im Laufe der Jahre weggesprengt, damit die Durchfahrt sicherer wurde.

Auf dem Weg zur Besucherplattform in der Nähe der Stromschnellen hat es wieder sehr viele Mücken, wir haben aber unsere Mückennetze dabei und so keine Probleme – ausser dann beim hochwandern, da kommen wir etwas mehr ins Schwitzen. Beim Verschnaufen entdecken wir dafür noch ein paar schöne Pilze.

Dawson-City

Wir kommen in die Goldgräber-Stadt am Yukon-River. 1896 wurde hier viel Gold gefunden, was einen grossen Goldrausch auslöste und dazu führte, dass sich ab 1897 rund 100’000 Personen auf den Weg in diese Einöde machten. Die Reise war damals extrem anstrengend und aufwendig, denn es musste der Proviant für mindestens eine Saison sowie alles notwendige Schürf-Material mitgenommen werden, rund eine Tonne Material. Ein Grossteil gab unterwegs auf, trotzdem erreichten noch mehrere 10’000 Personen das erst 1896 gegründete Dawson-City, das bis dahin erst wenige Einwohner hatte und jetzt richtig gehend explodierte. Doch die meisten neuen Goldgräber kamen zu spät, diejenigen aus der Region waren schneller und praktisch alles Land, die sogenannten Claims, waren bereits an diese vergeben. Trotzdem boomte die Stadt, vorallem das «Goldnebengewerbe», d.h. alles was mit dem für die Goldförderung notwendigen Material zusammenhing, aber auch Bars, Saloons und Bordelle…

Auch der berühmte amerikanische Schriftsteller Jack London versuchte sich zu dieser Zeit hier als Goldgräber, er kam als einer der ersten an und erwischte noch einen Claim, doch bei der Überwinterung erkrankte er an Skorbut. Dafür war er nach seiner Rückkehr mit der Schriftstellerei sehr erfolgreich, in dem er unter anderem die hier beobachteten Charaktere beschrieb oder daraus Geschichten entwarf wie z.Bsp. Ruf der Wildnis.
Doch auch die Ureinwohner beteiligten sich am Goldrausch, einerseits in dem sie selbst nach Gold suchten und sich dabei oft mit Weissen zusammentaten oder indem sie ihnen Lebensmittel, Kleider und Felle verkauften.

Teilweise wird noch heute in den um 1898 entdeckten Minen Gold gefördert, es ist allerdings ein harter Job und hat nichts mit schnellem Geld zu tun. Gemäss den Infos im örtlichen Museum hier gibt es rund 100 aktive Minen-Gebiete, in denen nach Gold geschürft wird.

Die Zeit im Örtchen scheint stillzustehen, der Tourismus ist ein wichtiger Erwerbszweig und das heute rund 1’400 Einwohner zählende Dawson-City macht voll auf alte Goldgräberstadt, die Häuser sehen alle «von gestern» aus. Auch ist nur die Hauptstrasse asphaltiert, alle übrigen Strassen sind naturbelassen, entsprechend staubig ist es überall (ausser es regnet gerade…). Über den Yukon-Fluss kommt man nur mit einer Fähre auf die andere Seite, danach geht es auf dem Top of the World Highway bis nach Alaska.

Die Temperatur der Böden im nördlichen Yukon liegt ganzjährig unter Null Grad, Permafrost. Taut der Boden an einer Stelle auf, senkt er sich, wo ein Haus steht, ist dies nicht gut, es sinkt dann dort ein paar Zentimeter ein… Deshalb sind z.Bsp. die Tanks von Tankstellen immer über dem Boden und nicht wie bei uns im Boden vergraben.

Schaufelbagger Dredge No 4

Wir besuchen den Schaufelbagger Nr. 4 (Dredge No 4) und entscheiden uns mutig für eine französischsprachige Führung. Wir haben Glück, denn der Führer weiss enorm viel, spricht zwar mit Quebequois-Akzent aber wir verstehen ihn recht gut. Ob wir den Dialekt langsam lernen? Auch die übrigen Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer verstehen wir fast alle sehr gut, es gibt viele interessante Fragen.

Der Schaufelbagger wurde 1912 an seinem Startort zusammengesetzt und förderte dann von 1913 – 1959 Gold. Er sank mehrmals, auch wurden Teile der Holzkonstruktion immer wieder ausgewechselt, aber alle Maschinen sind noch original. Gemäss dem Führer waren für das riesige Monster nur vier (4) Mann Besatzung notwendig, in Wikipedia werden allerdings noch ein paar mehr aufgezählt. Aber all dies ohne Computer und High-Tech, das war schon eine Leistung.

Der Schaufelbagger wurde mit Strom betrieben, dazu war er von Land mit Stromleitungen verbunden, ebenfalls hatte das Fahrzeug ein Telefon an Bord, war also auch mit einer Telefonleitung verbunden, unglaublich modern für die damalige Zeit. Da der Boden hier dauernd gefroren ist (Permafrost), dauerten die Vorbereitungsarbeiten jeweils 5 Jahre, d.h. es musste zuerst alles gerodet, sondiert und dann der Boden langsam aufgetaut werden, indem viele Eisenstangen in den Boden gerammt wurden, teilweise an Dampf angeschlossen.

Mit der Drohne konnte ich den ganzen Umfang des Schaufelbaggers fotografieren, aber auch Goldgräber-Stätten, wo heute noch gearbeitet wird, mit grossen Baggern und Lastwagen.

Planungsarbeiten

Wir benutzen die Zeit in Dawson-City auch, um unsere Planung für die nächsten rund 40 Tage zu verfeinern. Wir haben im Herbst noch einiges vor und wollen wissen, ob das zeitlich überhaupt alles möglich ist. Fazit: Es sieht sehr gut aus und wir haben sogar noch etwas Reserve.

Und wir treffen hier Flavia und Georg wieder, das Pärchen aus dem Tessin, welches wir in Québec auf dem Campingplatz in Roche Percé bei den Basstölpeln trafen. Sie kommen gerade vom Dempster Highway zurück. Es hat ihnen sehr gefallen, es scheint für ihr Fahrzeug aber sehr anstrengend gewesen zu sein, hatten sie doch zwei Mal einen Platten. Nun, das kennen wir, waren wir doch 2015 auch mit einem Fiat Ducato auf Island und hatten auf den vielen Kiesstrassen viele Platten geholt. Unsere «normalen» europäischen Pneus sind nicht für solche Strassen gemacht. Fährt man viel auf Kiesstrassen, ist aus meiner Sicht ein AT-Reifen Pflicht.

Top of the World Highway

Da wir genügend Zeit haben, fahren wir diesen 100 km langen Highway noch ab. Diese Strasse führt meist den Kreten von 900 – 1200m hohen Hügeln entlang, in der Ferne sehen wir noch höheres Gebirge. Hier im hohen Norden von Kanada liegt die Baumgrenze auf 1000 – 1100 müM, so dass wir meist eine gute Fernsicht haben. Der Top of the World Highway ist eine wunderbare Panoramastrasse, grösstenteils nicht asphaltiert, mit nur wenig Verkehr und erinnert uns sehr stark an den Blue Ridge Parkway in North Carolina, wo Bettina und ich zwei Jahre lebten und arbeiteten. Er führt von Dawson-City über den Yukon bis an die amerikanische Grenze in Alaska.

Wir übernachten unterwegs und fahren am nächsten Tag bis kurz vor die Grenze und unternehmen dort eine mehrstündige Wanderung, ohne mit einer einzigen Mücke zu kämpfen. Die Temperaturen sind kühl, in der Nacht 6 Grad, am Tag 10 – 14°C.

Danach fahren wir zurück, machen aber noch einen Abstecher via die Clinton Road nach Forty Mile. Diese Goldgräbersiedlung liegt unten am Yukon River und da wimmelt es wieder von Mücken. Die Siedlung Forty Mile ist heute nur noch eine Geisterstadt, hier wurde 1886 das erste Gold im Yukon Territorium gefunden und ein Jahr später eine Siedlung gegründet. Die Siedlung wurde regelmässig mit Schaufelraddampfer angefahren und so versorgt. Nach den Goldfunden bei Dawson-City zogen aber die meisten dorthin.

Einkäufe

Bevor wir weiterfahren, verproviantieren wir uns noch einmal in Dawson-City. Den nächsten Supermarkt auf dem Dempster-Highway gibt es erst nach rund 700 km in Inuvik. Hier ist das Einkaufen nicht so einfach, viel Obst und Gemüse hat grauen Schimmel, viele Lebensmittel sind seit Wochen abgelaufen, man muss sehr aufpassen was man kauft. Das Einkaufen erinnert uns etwas an die Mongolei: Frischwaren gibt es nur sehr beschränkt und teuer, dafür gibt es viel günstiges Fleisch und natürlich Konserven.

Unser nächstes Ziel heisst:

Arktischer Ozean via Dempster Highway

Was wir wohl alles unterwegs auf dem Dempster Highway erleben werden und wie es wohl am Arktischen Ozean sein wird? Mehr über die knapp 1’000 km lange Reise auf Kiesstrasse dann im nächsten Bericht.

Unsere Route

Im folgenden unsere Route auf der Karte, die wir mit Jupi während dieses Bericht-Zeitraums gefahren sind. Jupi sendet alle 15 Minuten seine Position via Spot Satelliten-Tracker an uns, deshalb folgt die Route nicht genau der Strasse, sondern macht etwas «Abkürzungen».

Die aktuelle Position von Jupi, wie auch die gesamte Route unserer Nordamerika-Reise seit dem 26. Mai 2022, ist auf dieser Seite zu finden: https://www.jupi.bvision.ch/jupispot/

Das könnte Dich auch interessieren...

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert