Kappadokien – und an die türkische Riviera

Wer sich mit der Türkei als Reiseland befasst, wird unweigerlich auf Kappadokien stossen, das grob gesagt im Zentrum des Landes liegt. Das Spezielle dort sind die vielen Felskegel, welche die Landschaft prägen. Eigentlich handelt es sich um eine Vulkanlandschaft, bei der durch den Auswurf von Lava und viel Asche vor Millionen von Jahren unter anderem das poröse Tuffgestein entstand. Durch Erosion der unterschiedlich harten Gesteinsschichten konnten im Laufe der letzten paar Millionen Jahre solch eindrückliche Formen entstehen und der Prozess schreitet immer noch voran, denn mit jedem Regen werden wieder Sedimente ausgewaschen.
Aber auch der Mensch hatte schon vor langer Zeit die Vorteile dieses Materials entdeckt und hier immer grössere künstliche Höhlen geschaffen. Wir sahen an vielen Orten in Fels gehauene Räume, die teilweise immer noch als Lager genutzt wurden. Doch für das Auge am interessantesten waren natürlich die vielen kegelförmigen Gebilde, die vorallem um die Ortschaft Göreme überall in den Himmel ragten. In einigen hatte es Wohnungen, die aus mehreren Räumen bestanden, in andere wiederum wurden Kirchen gegraben.

Diese ganze Szenerie ist sehr eindrücklich und speziell, deshalb waren wir natürlich nicht ganz die einzigen Touristen. Als eine der Topattraktionen der Türkei kommen hier täglich tausende von Besucher hin und ein grosser Teil der lokalen Bevölkerung hat in irgend einer Weise direkt oder indirekt mit dem Tourismus zu tun. Da das Klima recht trocken ist und es insbesondere am Morgen früh nur wenig Luftströmung hat, hat sich hier eine ganz spezielle Art der Betrachtung dieser Naturwunder etabliert: Aus dem Heissluftballon. Während unserer Anwesenheit an vier Morgen sahen wir drei Mal die Ballone steigen. Es sind dann nicht zwei oder drei, auch nicht zehn oder zwanzig, sondern über hundert Stück mit Körben für 20 bis maximal 38 Personen.
Das ganze frühmorgens startende Spektakel war äusserst fotogen, auch weil wir perfektes Wetter hatten. Überall wo es ebene Flächen gab, wurden die Ballonhüllen und Körbe ausgelegt, wobei das Zentrum um Göreme lag. Deshalb standen wir während all den Tagen mit Jupi am Rande eines solchen Startfeldes bei Göreme und konnten so die Startvorbereitungen und Starts aus nächster Nähe beobachten. In der ersten Nacht und am Morgen standen sogar noch zwei Iveco-Camper mit chinesischen Nummernschildern neben uns, wir wechselten mit dem einen Ehepaar ein paar Worte, was aber nur via Google-Translator gelang, weil sie kein Englisch sprachen. Gerade neben uns wurden jeweils fünf regenbogenfarbene Ballonhüllen ausgelegt und als dann die Ventilatoren kurz vor sechs Uhr morgens starteten, noch bei tiefer Dunkelheit, standen wir auf. Mit diesen grossen Ventilatoren wurde Luft in die am Boden liegenden farbigen Hüllen geblasen, so dass sie langsam die typische Ballonform annahmen. Interessant wurde es, als die Brenner aktiviert wurden und die Luft in den Hüllen erwärmten. Die Flammen erhellten die Hüllen wunderschön und diese richteten sich langsam von der horizontalen in die vertikale Position auf. Dutzende von weissen Kastenwagen brachten die Passagiere, welche in die Ballonkörbe stiegen, sobald sich diese aufgerichtet hatten. Die Körbe waren nicht wie bei uns quadratisch sondern lang und schmal, dies wohl damit alle Passagiere gegen aussen sehen konnten. Bald glitten die ersten hell erleuchteten Ballone langsam in den noch dunkeln Nachthimmel über diese einmalige kappadokische Landschaft, nur ab und zu ertönte ein kurzer Brennstoss um die Höhe zu regulieren.

Wir erfuhren, dass die Fahrten für die nächsten zwei Monate grösstenteils ausgebucht waren, jedoch durch Absagen immer wieder der eine oder andere Platz frei würde. Eine Fahrt kostete zwischen 200 und 300 Euro. Wir fanden aber bereits die Ansicht und das Spektakel von unten genial und äusserst fotogen. Vorallem weil einige Heissluftballone nicht einfach hoch über die Landschaft schwebten sondern relativ knapp über die Oberfläche fuhren, sich auch tief in ein Tal hinunter «fallen» liessen. Ab und zu berührten sich auch zwei Ballone in der Luft, ohne dass dabei etwas passierte.

Für die Ausbildung der Piloten gibt es an der lokalen Universität eine eigene Abteilung, wie es aussieht, wird dieses Business sehr gewissenhaft angegangen. Bei den täglich über 100 Heissluftballonstarts mit über 2’000 gut zahlenden Passagieren ist dies für viele Leute ein lukrativer Erwerbszweig, ein grösseres Unglück hätte wohl fatale Folgen für diesen Tourismuszweig. Nicht gestartet wird bei zuviel, aber auch bei zu wenig Wind, was tatsächlich einmal passierte, als es in der Nacht etwas regnete und am Morgen deshalb bei bedecktem Himmel keine Thermik entstehen konnte.
Die Ballone starteten nur am Morgen früh, später am Tag sahen wir keinen einzigen mehr in der Luft, mit Ausnahme von kleinen Ausbildungsballonen. Auch Helikopter oder sonstigen Flugzeuge (mit Ausnahme von der einen oder anderen Drohne) waren tagsüber nicht zu sehen. Dafür sahen wir tagsüber einige Touristengruppen auf Pferden und noch viel mehr auf den motorisierten Gefährten, d.h. Quads, allerdings auch immer nur in Gruppen. Auf der einen Seite war es sehr faszinierend zu sehen, wo diese überall durchkamen, auf der andern Seite war vorallem der durch sie aufgewirbelte Staub in dieser bereits sehr staubigen Gegend unangenehm. Die Luft wurde undurchsichtig, viele banden sich deshalb Tücher um den Mund und in unserem Jupi kroch er in fast jede Ritze. Einfach alle Türen und Fenster zu schliessen war bei den Temperaturen von jetzt anfangs Oktober immer noch bis zu dreissig Grad unmöglich.

Weiter sahen wir den ganzen Tag auch unzählige Hochzeitspärchen, die vor den Ballonen, vor den Felsen-Kegeln oder zusammen mit Oldtimern sich in dieser Szenerie ablichten liessen. Auch sonst war es sehr interessant zu sehen, wie sich die Leute in Szene setzten und an den vielen schönen Orten fotografieren liessen oder mit Selfie-Stick, Selfie-Stativ oder Selfie-Drohne ablichteten sowie natürlich immer entsprechend posierten.

Nach einigen Tagen kamen auch Aline und Christian, die wie wir die Russland – Mongolei – Mittelasien Tour gefahren waren. Es war sehr schön etwas Zeit mit ihnen zu verbringen und zusammen in unseren Reiseerinnerungen zu schwelgen. Wir alle fanden es ein wunderbares Erlebnis. Wir sprachen auch über die Gastfreundschaft der Türken, wie schnell man zu einem Cay (Tee) eingeladen wurde und über die Probleme mit dem Stellplatzfinden. Sie wurden ja wie wir auch einmal von der Jandarma in der Nacht wegbegleitet. Ein anderes Mal kam bei ihnen schon am Nachmittag eine Amtsperson und wollte ihre Pässe sehen. Das Gespräch entwickelte sich dann aber ganz anders und am Schluss wurden sie zu ihm eingeladen, konnten bei seinem Haus übernachten und wurden am nächsten Morgen sogar noch zum Frühstück eingeladen. Ob einem so etwas in der Schweiz wohl auch passieren kann?

Neben vielem anderem kamen wir auch auf die Putzerei zu sprechen und sie erwähnten ihren Dyson V6 – Staubsauger, den sie sehr rühmten und der nicht allzuviel Platz wegnehme. Wir durften ihn einmal ausprobieren und er hat uns ebenfalls sehr überzeugt, unser Eingangsteppich war danach so sauber wie schon lange nicht mehr. So steht nun ein solcher V6 auch auf unserer «Einkaufsliste». Später kamen auch noch Anke und Philipp aus den Niederlanden hinzu, mit denen wir schon vor einigen Tagen zusammen zwei Tage unterwegs waren. Auch sie benutzten übrigens den Staubsauger «Dyson V6» und rühmten ihn sehr.

Wir hätten in dieser Landschaft und mit unseren Kollegen noch tagelang hier weilen resp. herumwandern können. Besonders gut gefiel uns das Tal gleich östlich von Göreme, das sich Rosental nennt. Hier wanderten wir mehrmals auch in die Quertäler rein, man könnte das Gebiet auch «Littel Bryce Canyon» nennen. Einmal am Morgen gingen Bettina und ich das ganze «Rosental» bis ans Ende joggen und dann zurück über die Krete, von wo aus wir einen wunderbaren Ausblick hatten. Dies war eine geniale Jogging-Strecke resp. eigentlich Wanderweg, insbesondere weil gegen Ende des Rosentals mehrere herausgehauenen Tunnels vorhanden waren und der Weg immer sanft rauf und runter führte. Bettina hatte es so gut gefallen, dass sie danach den Weg noch einmal mit der Kamera ablief. Nicht nur die Formen waren genial, sondern auch die Farben, die zwischen braun, zartem rot und teiweise sogar einigen gelblichen Schichten abwechselten.

Göreme ist zwar der Hostspot Kappadokiens, doch Kappadokien mit seiner Tuff-Landschaft ist eine viel grössere Region und erstreckte sich über fünf Provinzen. Es gab noch viel Interessantes zu sehen, da diese ganze Region aus dem leicht bearbeitbarem Tuffgestein besteht. So wurde nicht nur horizontal in die Felsen oder in die Felskegel hineingebaut sondern auch in die Vertikale nach unten gegraben, z.Bsp. für Lagerräume oder Verstecke. Auf diese Weise entstanden ganze unterirdische Städte, die insbesondere zur Zeit der Christenverfolgung in den ersten Jahrhunderten n.Chr. Schutz vor dem Feinde boten. Man vermutet aber auch, dass sie als Lager- und Schutzräume vor den extremen Klimabedingungen erstellt wurden, boten sie doch konstante Temperaturen und Luftfeuchtigkeit.
Die bekanntesten unterirdischen Städte sind Kaymakli und Derinkuyu, wovon wir die zweite besuchten. Bis heute wurden acht Etagen bis auf eine Tiefe von 55 Meter unter der Oberfläche freigelegt mit einer Fläche von 2’500m2. Man schätzt, dass erst ein Viertel der Anlage ausgegraben wurde, die für 3 – 50’000 Bewohner reichte. Neben Wohnungen, Vorratsräumen und Kirchen gab es auch Stallungen für (Haus-)Tiere und sogar eine Weinpresse. Man vermutet sogar, dass Derinkuyu mit einem 9km langen Tunnel mit der Nachbarstadt resp. unterirdischen Stadt von Kaymakli verbunden war.
Einzelne Gänge der unterirdischen Stadt konnten durch schwere Rollsteintüren, die wie Mühlsteine aussehen, abgeriegelt werden. Ein ausgeklügeltes System aus über 15’000 (fünfzehntausend) Lüftungsschächten stellte die Luftzirkulation bis in die untersten Stockwerke sicher. Einzelne Schächte dienten auch als Brunnen und wurden als solche bis zur Wiederentdeckung der unterirdischen Stadt im Jahre 1963 von der Bevölkerung genutzt (die nichts mehr von der riesigen darunter liegenden Anlage wusste).

Der Eintritt in die Anlage kostete ein paar Türkische Lira (abgeürzt TL und von Aline deshalb immer Tee-Löffel bezeichnet), die Begehung ist aber ohne Führer möglich, viele Räume haben ein Schild wie Küche, Lagerraum, Kirche etc. Wobei hier ein Führer wahrscheinlich noch viele interessante Details zu erzählen gewusst hätte. Die Räume waren überraschend hoch, die verbindenden Gänge aber teilweise recht niedrig, da mussten wir uns sehr ducken um nicht den Kopf anzuschlagen. So «krochen» wir rund zwei Stunden in dieser sehr interessanten Untergrundstadt herum.

Immer wieder sahen wir beim Durchfahren der Landschaft Kappadokiens Vulkanberge. Eine Nacht verbrachten wir (dank der App iOverlander) sogar in einem Vulkankrater neben einem Vulkansee. Gemäss Führer könnte man im See schwimmen, allerdings war uns nicht ganz geheuer, denn als wir genau hinschauten sahen wir kleine Blasen aufsteigen…

Die nächste Nacht verbrachte wir seit langem wieder einmal auf einem offiziellen Stellplatz, den es in der Millionenstadt Konya gab. Man musste sich zwar mit dem Pass registrieren, aber das Stehen und Übernachten war kostenlos. Jeder Platz hatte Wasser sowie Strom und auf dem Areal gab es saubere WCs und Duschen, wie geschrieben alles umsonst. Der einzige Nachteil war, dass er direkt an der D330, einer vielbefahrenen Hauptstrasse an einem Kreisel lag und es deshalb in der Nacht leider etwas laut war. Der Grund, warum wir überhaupt in Konya stoppten waren die Derwisch-Tänze, die wir hier anschauen wollten. Derwische sind Mitglieder (Männer) der religiösen Ordensgemeinschaft namens Mevlevi-Orden. Ihr Tanz, Sema genannt, ist eigentlich ein Gottesdienst und folgt einer ganz speziellen Choreografie, bei der sich die Derwische vorallem drehen, um sich selbst und innerhalb der Gruppe auf der runden Bühne. Das Ziel ist, dass sie in einen tranceähnlichen Zustand kommen. Jeden Samstag gibt es im Kulturcenter von Konya Vorführungen für Touristen (Mevlana Kültür Merkezi).
Sie drehen sich sehr lange, einem normalen Menschen würde wohl schwindlig. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass dies nicht passiere liege daran, dass sie sich immer im Gegenuhrzeigersinn drehen und dabei den Kopf nach rechts neigen, ähnlich wie Eiskunstläuferinnen und -läufer. Der Tanz und die Musik waren sehr eindrücklich, zum Fotografieren war es aber nicht so ideal, da die Tänzer meistens von farbigen Schweinwerfern angestrahlt wurden.

Nach der abendlichen Aufführung fuhren wir noch etwa 40km aus der Stadt raus, wollten wir doch für diese Nach einen ruhigeren Platz. Einmal mehr können wir die App iOverlander nicht genug rühmen, fuhren wir doch bei völliger Dunkelheit in einen Wald rein und fanden dort den perfekten Platz, die letzten Meter brauchten wir noch den Allrad um sicher über einige Unebenheiten zu kommen.

Am nächsten Morgen ging es weiter Richtung Mittelmeer, allerdings mussten wir unbedingt tanken, der Zeiger stand kurz vor der Reserve. Eigentlich hatten wir auf unserer Tour gelernt, dass wir auf die Tankstellensuche gehen sollten, sobald die Tankanzeige weniger als 50% anzeigt. Oft waren in Sibirien, der Mongolei oder den Stan-Staaten die Tankstellen über 100 Kilometer auseinander und wenn mal die eine oder andere geschlossen war oder keinen (guten) Diesel hatte, hatten wir so immer noch genügend Reserve. Hier in der Türkei gab es aber wie in der Schweiz in jeder Ortschaft mindestens eine Tankstellen mit überall gutem Diesel, deshalb tankten wir hier wieder viel später. Doch heute schien es anders zu sein: Die Ortschaften lagen hier weiter auseinander und die erste Tankstelle hatte keinen Diesel mehr, die zweite war geschlossen – und bei uns leuchtete nun bereits die Reserve auf. Die dritte Tankstelle war ein Wrack, die vierte ebenso und dann ging es noch einmal über 40km bis zur nächsten Ortschaft. Reicht es noch? Wir fuhren nur noch mit 70km/h, immer wieder ging es rauf und der Verbrauch stieg dann auf über 15 Liter pro 100km. Langsam wurde es knapp. Gemäss unseren Angaben sollte in 10km eine kommen, ob sie brauchbar war? Tatsächlich, gleich am Ortseingang stand eine schöne neue Türkiye Petrolleri. Sie war offen und hatte Diesel. War es knapp? Wir tankten über 92 Liter in unseren 100 Liter fassenden Dieseltank, wären aber mit den verbleibenden 8 Liter sicher noch über 50km weit gekommen, was uns etwas beruhigte. Die Reserve leuchtet schon sehr früh auf, eigentlich wissen wir es, werden aber trotzdem immer noch nervös…

Das GPS ist bei uns so eingestellt, dass wir auch immer die Höhe ablesen können und diese schwand nun allmählich. Von bisher 1’000müM waren wir auf nur noch 600müM gefahren und jetzt ging es zügig runter, wir kamen unserem Ziel Mittelmeer, Region Antalya immer näher. Dort erreichten wir kurz vor Sonnenuntergang in der Nähe von Kizilot die türkische Riviera und blieben gleich am Strand für die Nacht stehen – der Sonnenuntergang sah perfekt aus.

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2 Antworten

  1. Nelly Rymann sagt:

    Hallo ihr beiden
    Es ist einfach toll, eure Reiseberichte zu lesen und die megaschönen Bilder zu betrachten. Ich habe manchmal das Gefühl als wäre ich dabei. Geniesst eure Reise weiterhin und bleibt gesund und munter.
    Mit herzlichen Grüssen
    Nelly

    • bvision sagt:

      Hallo Nelly
      Wir freuen uns sehr, dass dir unsere Reiseberichte und Bilder so gefallen. Im Moment machen wir etwas Pause an der türkischen Riviera, aber bald geht es wieder weiter.

      Ganz liebe Grüsse von
      Bettina und Reto

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