Schmetterlinge, russische Polizei im Hause und erste Pannen

Asien.
Rund 77% von Russland liegen auf asiatischem Boden. Was wir einerseits im asiatischen Teil von Russland vorallem merkten war, dass es schwieriger wurde «Nebenstrassen» fĂĽr unsere Alternativrouten zu finden, oft gab es nur Stichstrassen, weil irgendwo ein Bach oder Fluss im Weg lag und dort die BrĂĽcke fehlte. Einmal wagten wir zu dritt einen kleinen Ausflug auf einer gemäss GPS «gestrichelten» Strasse, gemäss dessen Karte sollte es diesmal eine BrĂĽcke geben. Die Strasse war wegen dem vielen Regen der letzten Tage recht nass und mit vielen PfĂĽtzen belegt. Doch am Schluss war uns allen die BrĂĽcke doch etwas zu abenteuerlich und wir kehrten wieder um.

Die Landschaft wurde im asiatischen Teil noch flacher und wir sahen vermehrt Sümpfe und darin abgestorbene Bäume, vorallem Birken. Gemäss GPS befanden wir uns auf einer Höhe um die 100 müM aber tausende Kilometer vom nächsten Meer entfernt. Kein Wunder mäandern da die Flüsse und Bäche in vielen Kurven und kann das Wasser nach Regen oft nur schwerlich abfliessen.

NatĂĽrlich wurde auf einer solchen Fahrt unser Jupi wieder mal so richtig eingedreckt, erhielt danach aber eine verdiente Dusche.

Immer wieder kreuzten wir nun auch den Schienenstrang der transsibirischen Eisenbahn (Transsib), die von Moskau bis ins 9’300km entfernte Wladiwostok fĂĽhrt und ĂĽber eine Abzweigung auch bis nach Peking. PersonenzĂĽge sahen wir allerdings eher selten, dafĂĽr einen GĂĽterzug nach dem andern, vorallem mit Kohle oder Ă–l beladen, aber auch ContainerzĂĽge waren unterwegs. Die ZĂĽge waren geschätzt bis zu einen Kilometer lang und hatten oft drei, manchmal noch mehr Lokomotiven. Interessant war fĂĽr uns zu sehen, dass es bei den BahnĂĽbergängen nicht nur Blinklichter und Schranken gab sondern aus dem Boden richtige Sperren hochgefahren wurden, so dass wirklich niemand mehr ĂĽber die Geleise fahren konnte. Scheinbar ist dies bei der russischen Fahrweise notwendig. In Novosibirsk befindet sich der Sitz der Transsib und dort besuchten wir auch den Personenbahnhof sowie ein Museum mit älteren Exponaten.

Auf der andern Seite des Urals wurde der Vekehr etwa zwei Tage nach Überquerung des Urals merklich dünner und es war nun einfacher und risikoärmer die nicht mehr so häufig vorkommenden LKWs zu überholen. Immer mehr sahen wir auch rechtsgesteuerte, japanische Fahrzeuge; der Importweg aus Japan via Wladiwostok für Occasionsfahrzeuge ist massiv kürzer als via Europa und Moskau. In den Städten, die wir im asiatischen Teil von Russland anfuhren, hatten wir aber immer noch das Gefühl in Europa zu sein, sei es von den Häusern, den Kirchen oder vom menschlichen Aussehen her. Dies änderte sich eigentlich erst in Irkutsk, wo vermehrt asiatische Gesichter zu sehen waren.

Die Verkehrsregeln in Russland sind ähnlich wie in Westeuropa, innerorts gilt 60km/h, ausserorts 90km/h, für Fahrzeuge über 3.5t 70km/h, Alkohol am Steuer ist verboten, es gilt 0 Promille. Was uns immer wieder verwunderte war die hohe Geschwindigkeit der LKW, d.h. die fuhren ausserorts ebenfalls 90km/h, trotz den häufigen Radarkontrollen. Es hiess, es gäbe eine Toleranz beim Radar von 20km/h (in Worten: zwanzig!), was wir irgendwie nicht so recht glauben konnten. In Mariinsk lud die Reisebegleitung den obersten Verkehrspolizisten der Region ein, der die Regeln noch einmal kurz erläuterte und all unsere Fragen beantwortete.

Tatsächlich: In Russland gilt generell eine Toleranz von 20km/h, d.h. wir könnten eigentlich innerorts 79 und ausserorts mit 109km/h fahren, ohne geblitzt zu werden. Kein Wunder sahen wir in vielen Ortschaften 40-er Tafeln, dies dienen sicher dazu, dass nicht schneller als 60km/h gefahren wird, dito im Baustellenbereich. Wir sahen unterwegs sehr viele Radarkontrollen, teils fixe aber auch sehr viele mobile, teils mehrere pro Kilometer – es scheint sich zu rentieren… Angehalten werde man aber nie, erzählte der Polizist, es gäbe immer ein Gerichtsverfahren, das allerdings erst nach einiger Zeit eröffnet werde. Die Polizei darf selber keine Bussgelder einziehen, um Korruption zu verhindern. «Und wie ist das bei Ausländern?», kam natĂĽrlich sofort die Frage aus der Runde. «Die kommen oft davon…», seine RĂĽckmeldung. Auf der andern Seite bei einem Unfall, auch da wäre eine Gerichtsverhandlung notwendig, was fĂĽr Ausländer sehr langwierig sein könne, deshalb werden die meisten Fälle vor Ort gelöst, siehe unser Unfall mit dem Gruppenbus in Kasan. Es tauchte auch die Bemerkung auf «Wenn man sich in Russland an die Geschwindigkeitsregeln hält, ist man ein Verkehrshindernis». Seine Empfehlung lautete: «Schwimmt mit der Kolonne mit, sonst fĂĽhrt dies nur zu gefährlichen Ăśberholmanövern und die mobilen Radars können in einer Kolonne sowieso einzelne Fahrzeuge nicht auseinander halten.»
Der Verkehrspolizist erzählte weiter, dass es in Russland kein Sonntagsfahrverbot für LKWs gebe, dafür ein Fahrverbot für diese, wenn die Temperaturen 32°C übersteigen. Allerdings habe es hier der Gesetzgeber versäumt klare Bussen zu definieren… Dieses Verbot wäre eigentlich da um den Asphalt zu schonen, d.h. um den durch die Hitze weichgewordenen Asphalt vor Spurrillen zu schützen, von denen wir schon einige erlebt hatten.

Trozdem gebe es dank den vielen Kontrollen heute viel weniger Verkehrs-Delikte» als frĂĽher. Noch vor fĂĽnf Jahren hätte es in dieser Region 4’000 Delikte in einem Jahr gegeben, letztes Jahr wären es noch einige hundert gewesen und dieses Jahr bis in den Juni erst 87.
Ein Problem scheint eher der Zustand der Fahrzeuge zu sein, sprich die VerkehrstĂĽchtigkeit. Auf den Strassen sahen wir alles, vom uralten, verrosteten Fahrzeug mit fehlenden Teilen bis zum modernsten Neuwagen. Seine Antwort: «Eigentlich muss jedes Fahrzeug einmal jährlich zur Kontrolle (Strassenverkehrsamt/TĂśV). FrĂĽher war diese Kontrolle staatlich, heute privat und bei vielen Kontrolleuren genĂĽgt es scheinbar, ein Bild des Fahrzeuges zu senden, um die Bescheinigung zu erhalten, dass alles i.O. sei.»
Auf der Hauptverkehrsachse gibt es viele Wägestationen für Fahrzeuge über 3.5t, diese seien aber nur für kommerzielle Fahrzeuge obligatorisch, also nicht für Camper/Wohnmobile über 3.5t.

Ebenfalls um Mariinsk erlebten wir eine Schmetterlingsflut. Bereits am Vorabend sahen wir viele Schmetterlinge der Art «Baumweissling». Am Tag darauf schien es ein MassenschlĂĽpfen gegeben zu haben, wir sahen Zehntausende wenn nicht Millionen von diesen Baumweisslingen in der Luft, es war fast wie Schneeflocken. Auch am Boden gab es immer wieder grössere Gruppen, vorallem um PfĂĽtzen aber nicht nur. Am Abend sahen wir dann viele LKWs mit völlig zugekleisterten KĂĽhlerhauben und auch an unserem Jupi fanden wir ĂĽberall Schmetterlinge bzw. Reste davon, selbst im Luftfilter. Und natĂĽrlich waren auf der Frontscheibe unzählige gelbe Spuren…

Bei so einer langen Tour kommen natĂĽrlich auch technische Pannen vor, bis jetzt allerdings alles kleine Sachen. Von Abenteuer Ost ist ein Mechaniker dabei, der sich die bis jetzt aufgetretenen Probleme jeweils ansah und wenn möglich selbst behob. Wenn nicht organisiert das Team einen Garagenbesuch und dabei ist auch immer jemand der russisch spricht, wirklich ein perfekter Service. So gab es bei einem vollintegrierten Hymer mit Mercedes-Motor Fehlermeldungen wegen dem AdBlue, das zwar eine Mercedes-Garage in Deutschland softwaremässig abschaltete, aber dies scheinbar nicht vollständig durchfĂĽhrte, so dass irgend ein Sensor nun einen Fehler meldete. Da es hier in Russland ĂĽberall AdBlue gibt, wurde in einer russischen Mercedes-Garage das AdBlue wieder aktiviert. Bei einem Phönix Liner mit Iveco-Motor gab es ein Leck im KĂĽhler, das aber ebenfalls durch eine russiche Garage repariert werden konnte. Und bei uns roch es kĂĽrzlich im Fahrzeug plötzlich nach Diesel. Wir kennen dies eigentlich nur von der Dieselheizung, wenn die Abgase bei offenem Fenster ins Fahrzeug kommen und zuerst dachte ich es sei die Heizung, die wir vergessen hätten abzuschalten, doch die war aus. Hm, komisch. Später entdeckten wir draussen Dieselspuren, ich dachte zuerst an russische LKWs die tropften, doch als wir auch beim nächsten Stopp erneut eine DieselpfĂĽtze unter uns hatten schaute ich genauer nach und entdeckte, dass an der Pumpe fĂĽr die Heizung eine Schlauchbride fehlte und dort der Schlauch auch etwas feucht war. Ich montierte eine neue Bride. Beim nächsten Stopp aber wieder eine PfĂĽtze – hmmm, doch etwas ernsteres? Da es regnete, war es unter der Motorhaube schwierig, die undichte Stelle zu finden – etwa beim Dieselfilter – oder doch daneben Richtung KĂĽhler? Wir riefen Gerd, unseren Mechaniker von Abenteuer Osten, an und berichteten ihn von unserem Problem und dass wir nun an unseren gemeinsamen Stellplatz fahren wĂĽrden. Dort angekommen war das Problem durch ihn rasch gefunden: Eine Schlauchschelle am Dieselfilter war lose und dort tröpfelte der Diesel raus. Alle Schrauben anziehen und fertig war die Reparatur. Merci Gerd fĂĽr deine rasche und fachtechnische Hilfe!

Seit unserer Abfahrt am 3. Mai 2019 in Sugiez/Mont Vully bis Irkutsk, wo wir uns momentan (27.06.2019) befinden, haben wir nun bereits 10’000km zurĂĽckgelegt. In Irkutsk endet der «Sibirien Highway», wie die Strasse bis hierhin sinnigerweise genannt wird. Hier endet auch Sibiren, gemäss russischer Definition fängt hier der ferne Osten an und geht bis zum Beringmeer, zur Beringstrasse, welche Russland von Alaska/USA trennt. Wir gehen ab hier auf «Kurs SĂĽd», zum Baikalsee und dann rein in die Mongolei – zum wirklichen «Abenteuer Osten».

Sugiez – Irkutsk: 10’000 km

Bild 10’000 km

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